Dynamisch-mechanische Analyse an Elastomeren

Für Werkstoffauswahl, Produktentwicklung und Lebensdauervorhersage von Elastomeren verfügt das Fraunhofer LBF über Messplätze zur dynamisch-mechanischen Analyse (DMA). Es können frequenz- und temperaturabhängige Messungen des dynamischen Schub- und Elastizitätsmoduls im Temperaturbereich von -120 °C bis 300 °C ausgeführt werden. Diese Messungen können durch Ultraschalluntersuchungen im Megahertz-Frequenzgebiet ergänzt werden. Unter Annahme der Frequenz-Temperatur-Äquivalenz können Masterkurven des Speicher- und Verlustmoduls erstellt werden. Neben dynamischen Experimenten sind auch Relaxations- bzw. Retardationsexperimente möglich.
Durch Anpassung der Messdaten an Materialmodelle können Eingabeparameter für FEM-Simulationen bereitgestellt werden. Der Modulwert des Gummiplateaus erlaubt Aussagen zur Vernetzungsdichte.
Eine Besonderheit sind DMA-Messungen in organischen Flüssigkeiten (z.B. Öle oder Fette) oder unter definierter Luftfeuchte. Weitere Anwendungen der DMA finden sich auf einer gesonderten Webseite.

Mit dynamisch-mechanischen Analysen lassen sich die viskoelastischen Eigenschaften von Elastomeren temperatur- und frequenzabhängig bestimmen. Üblicherweise wird hierbei entweder der komplexe Elastizitätsmodul (E*=E‘+iE‘‘) oder der komplexe Schubmodul (G* = G‘ +iG‘‘) gemessen.

Die obere Abbildung zeigt die Temperaturabhängigkeit des Realteils des Schubmoduls G‘ eines rußgefüllten Elastomeren bei Messfrequenzen zwischen 0,1 Hz und 10 Hz. Der Glasübergang ist hierbei durch einen deutlichen Abfall des Schubmoduls bei ansteigender Temperatur gekennzeichnet. Da der Glasübergang ein dynamisches Phänomen ist, ergibt sich auch eine merkliche Abhängigkeit der Glasübergangstemperatur von der Messfrequenz, in der Abbildung zum Beispiel von -56 °C bei 0,1 Hz auf -51 °C bei 10 Hz.

Eine andere Messmöglichkeit besteht darin, bei vorgegebenen Temperaturen den Modul frequenzabhängig zu messen. Die untere Abbildung zeigt den Realteils des Schubmoduls G‘ eines rußgefüllten Elastomeren bei Messfrequenzen von 0,01 Hz bis 10 Hz. Es wurde bei Temperaturen von -70 °C bis +50 °C in Schritten von 5 K gemessen. Im Bereich der Glasübergangstemperatur (-55 °C) zeigt sich eine deutliche Abhängigkeit des Schubmoduls von der Messfrequenz. Im Gegensatz dazu ist außerhalb des Glasübergangsbereiches (z.B. -70 °C oder +50 °C) der Modul nur in geringem Maße von der Messfrequenz abhängig.

Die bei den einzelnen Temperaturen gemessenen frequenzabhängigen Schubmodulkurven können oftmals zu einer sogenannten Masterkurve zusammengesetzt werden. Hierfür werden die Einzelkurven auf der logarithmischen Frequenzachse so verschoben, dass sich insgesamt eine relativ glatte Schubmodulkurve ergibt (siehe obere Abbildung). Jede Einzelkurve wird hierbei mit einem anderen Verschiebungsfaktor aT auf der Frequenzachse verschoben. Eine Kurve wird nicht verschoben. Die zu dieser Kurve gehörende Temperatur wird Referenztemperatur genannt. In der Abbildung beträgt die Referenztemperatur -55 °C. Die Masterkurve gibt die Frequenzabhängigkeit des Moduls bei der Referenztemperatur wider, in einem weitaus größeren Frequenzbereich, als dieser messtechnisch zugänglich ist. Es ist jedoch zu beachten, dass eine Masterkurvenkonstruktion für viele Polymermaterialien, aber nicht für alle, möglich ist. Es muss das Frequenz-Temperatur-Superpositionsprinzip gelten.

Messungen des Schubmoduls sind eine Möglichkeit, die Alterung von Elastomeren zu charakterisieren. Die untere Abbildung zeigt die Änderung des Schubmoduls eines rußgefüllten Elastomeren (Messtemperatur: 50 °C, Frequenz 1 Hz) in Abhängigkeit der Alterungszeit. Die Alterung erfolgte hierbei in einem Ofen bei 100 °C in Luft. Der Schubmodul von Elastomeren im Gummiplateau, d.h. deutlich oberhalb der Glastemperatur, ist mit der Netzwerkknotendichte verknüpft. Netzwerkknoten können hierbei chemischer Natur sein (z.B. Schwefelbrücken), aber auch physikalischer Natur (Haftung der Polymerketten an Füllstoffen, Kettenverschlaufungen). Bei der Alterung stehen thermo-oxidativer Abbau und die Ausbildung neuer Vernetzungsstellen im Wechselspiel. Die beobachtete Zunahme des Schubmoduls in den ersten Tagen ist z. B. auf chemische Nachvernetzung zurückzuführen. Im weiteren Alterungsverlauf überwiegt dann der Abbau von Vernetzungspunkten, der eine Abnahme des Schubmoduls zur Folge hat.