Unterschied zwischen Labor und Straße
Eine mangelnde Ladeinfrastruktur und die Ladezeiten machen die Reichweite nach wie vor zum Knackpunkt der Elektromobilität. Für jedes Elektrofahrzeug geben Hersteller einen allgemeinen Verbrauchswert in Kilowattstunden pro 100 Kilometer (kWh/100 km) an, den sie unter definierten Bedingungen im Labor auf dem Prüfstand ermitteln. Aus dem Verbrauchswert und dem aktuellen Ladezustand der Batterie ergibt sich dann die voraussichtliche Reichweite des E-Fahrzeuges.
Die Verbrauchsangaben der Hersteller ermöglichen zwar einen generellen Vergleich von verschiedenen Fahrzeugen untereinander. Allerdings bedeuten die idealisierten Laborbedingungen, dass im echten Betrieb auf der Straße Abweichungen auftreten, abhängig beispielsweise von der Außentemperatur, der Beladung oder der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit. Die zugrundeliegenden Geschwindigkeiten für die Herstellerangaben sind stark verallgemeinert. Daher bilden sie realistische Geschwindigkeitsprofile nicht ausreichend ab.
Abhilfe schafft hier eine modellbasierte Verbrauchsberechnung des Fraunhofer LBF. Dort fließen Angaben zum Fahrzeugtyp, Beladung, Außentemperatur, Geschwindigkeitsverlauf in Abhängigkeit von der Strecke und vom Verkehrsaufkommen sowie die Steigung im Streckenverlauf ein. Die Verbrauchsangabe beruht auf einer Simulation, in der sich komplexe mathematische Gleichungssysteme verbergen, die das entsprechende physikalische Verhalten des Fahrzeuges beziehungsweise der entsprechenden Bauteile beschreiben.
Im Rahmen des Projektes DieMo RheinMain hat das Fraunhofer LBF im Simulationsprogramm Matlab/Simulink ein Fahrzeugmodell für die Verbrauchsberechnung aufgebaut und unterschiedliche Modellierungsansätze untersucht. Das Modell bildet die wesentlichen Verbraucher von den Fahrwiderständen bis zu den Antriebsstrangverlusten ab. Es berücksichtigt auch Heizung, Klimaanlage und andere geringere Nebenverbraucher. In einer sogenannten Rückwärtssimulation liefert das Modell als Ergebnis einen Energieverbrauch bei vorgegebener Geschwindigkeit.
Messfahrten zum Realitäts-Check
Um realistische Werte abzubilden, unternahmen die LBF-Wissenschaftler zahlreiche Messungen mit unterschiedlichen Elektrofahrzeugen und verglichen diese mit den Teilergebnissen der Simulationen. Dazu nutzten sie unter anderem Messfahrten der elektromobilen Forschungsflotte des Instituts. Entsprechend der unterschiedlichen Elektromotoren für den Antrieb der Elektrofahrzeuge wurden alle auf dem Markt befindlichen Bauformen im Fahrzeugmodell hinterlegt. Abschließend verglichen die Darmstädter Forscher das gesamte Modell des Fahrzeuges mit den Daten aus den Messfahrten. Die Ergebnisse zur simulierten Batteriekapazität beziehungsweise zum Ladezustand der Batterie, englisch SOC für „State of Charge“, stimmen gut mit der Messung überein.
Realistische und energieeffiziente Routenwahl
Am Beispiel eines Fahrzeuges der Kompaktklasse zeigen die Ergebnisse auf einer realen Beispielstrecke, dass der Hersteller den tatsächlichen Verbrauch um 25 Prozent unterschätzt, während das Fahrzeugmodell des Fraunhofer LBF den Verbrauch um fünf Prozent leicht überschätzt. Für den zukünftigen Anwender der Informationsplattform www.vielmobil.info bedeutet dies, dass der Routenberechnung ein konservativer Energieverbrauch zugrunde liegt und er daher bei seiner Routenplanung auf der „sicheren Seite“ bleibt. Bereits vor Fahrtantritt wird die kostenfreie Onlinedienstleistung dem Plattformnutzer die Reichweite seines Elektrofahrzeugs realistisch angeben und ermöglicht ihm eine energieeffiziente Routenwahl.