Neue Methoden zur Absicherung von elektrifizierten Antriebsstrang-Komponenten

Future Mobility, Systemzuverlässigkeit, Antriebsstrang, HV Batterie, FMEA

Im Fokus des EU-Projekts »OBELICS« standen für das Fraunhofer LBF zum einen die experimentelle Bewertung des Schwingungsverhaltens von HV-Batterie-Komponenten unter verschiedenen Temperatur- und Ladezuständen, zum anderen die Entwicklung einer probabilistischen FMEA mit der Möglichkeit, die Ergebnisse von Multiskalen-Simulationen ab Zellebene zu implementieren. Die entwickelten Methoden gestatten es, zukünftig die Zuverlässigkeit und Sicherheit von Antriebsstrang-Komponenten effizienter zu bewerten und damit eine zeit- und kostenoptimierte Entwicklung zu unterstützen.

Experimentelle Bewertung des Schwingungsverhaltens von HV-Batterie-Komponenten

Übergeordnetes Ziel dieser Untersuchung war die Bewertung des Einflusses der Parameter Ladungszustand (SoC) und Temperatur auf das Schwingungsverhalten mehrerer schwingungsfähiger Bereiche im Inneren einer HV-Batterie, insbesondere der Gehäuse der Batterie-Module. Solche Informationen waren bisher nicht verfügbar und konnten deshalb hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Entwicklung von Hochvolt-Energiespeichern nicht eingeschätzt werden.

Für diese Untersuchung wurde ein Fiat 500e Batteriesystem, das vom Projektpartner Bosch bereitgestellt wurde, untersucht. Zur Bestimmung der Übertragungsfunktionen zwischen den Montagepositionen der Batterie und ihren Subkomponenten wurden insgesamt acht im Fraunhofer LBF entwickelte triaxiale MEMS-Beschleunigungssensoren und zehn Dehnungsmessstreifen appliziert, siehe Titelbild.

Multiaxialer Schwingtisch (MAST)
Vergleich des intern gemessenen Spektrums (orange) an der Außenwand eines Batteriemoduls mit ISO 12405 (blau).
Probabilistische FMEA zur Zusammenführung von Ausfallwahrscheinlichkeiten

Die Tests wurden in der multiphysikalischen Prüfumgebung des Instituts durchgeführt, die aus einem Multiaxialen Schwingtisch (MAST), einem Fahrzeugenergiesystem und einer Prüf-/Klimakammer besteht.

Um die Anregungsdaten für den Prüfstand zu erhalten, führten die Forschenden Fahrmessungen mit einem Fiat 500e durch. Die Batterie war an den Befestigungspunkten mit Sensoren ausgestattet. Die Grafik links stellt einen Vergleich zwischen den tatsächlich im Test gemessenen Beschleunigungen an der Außenwand eines Batteriemoduls und der oftmals genutzten ISO 12405 beispielhaft dar. Die Batterie wurde bei drei unterschiedlichen Temperaturen (-10°C, 25°C und 50°C) sowie zwei verschiedenen Ladezuständen (20% und 80% bei 25°C) mit dem selben Vibrationsprofil angeregt und hierbei wurden die Systemantworten ermittelt. Für die unterschiedlichen Temperaturen konnten nur unwesentliche Effekte hinsichtlich örtlicher Dehnungen und Beschleunigungen festgestellt werden. Der Ladezustand beeinflusst die Größenordnung der Schwingamplituden nicht deutlich, ist aber durchaus feststellbar. 

Ein genereller Trend im Hinblick auf die mechanischen Belastungen von Batteriekomponenten war nicht darstellbar; die Effekte sind vielmehr vom individuellen Systemdesign sowie von der Aufbau- und Verbindungstechnik abhängig. Für Betriebsfestigkeitsuntersuchungen an HV-Batteriesystemen ist es somit notwendig, die mechanischen Lasten mit dem kompletten Bereich von Einsatztemperaturen und Ladezustand zu verknüpfen, um zu realistischen Ergebnissen zu kommen. 

Probabilistische FMEA

Ein weiterer Schwerpunkt der Forschungsarbeiten im Fraunhofer LBF lag auf der Weiterentwicklung der probabilistischen FMEA (probFMEA), siehe Grafik links unten. Im Gegensatz zur klassischen FMEA ist es mit diesem Werkzeug möglich, Wahrscheinlichkeiten für Ausfälle auf Komponentenebene zahlenmäßig zu bestimmen und zu einer Ausfallwahrscheinlichkeit für das Gesamtsystem zusammenzuführen. Hierfür wurden ausfallrelevante Daten durch numerische Simulationen auf Zellchemieebene bestimmt, die dann als Ausfallrate (FIT – Rate, failure-in-time) interpretiert, in Ausfallwahrscheinlichkeiten transformiert und so in die probFMEA implementiert werden konnten. Mit einem solchen Verfahren können auf verschiedene Teildomänen des Antriebsstrangs bezogene Ausfallwahrscheinlichkeiten, unabhängig von einer rechnerischen oder experimentellen Ermittlung, in ähnlicher Weise verknüpft weden.

Effizientere Zuverlässigkeitsbewertung beschleunigt Entwicklungsprozesse

Fachübergreifende Teams im Fraunhofer LBF haben in diesem Projekt erstmalig die Abhängigkeit der Schwingungsbelastung von Batteriekomponenten von Umgebungstemperatur und SoC experimentell erforscht. Kunden und Auftraggeber können von diesen Ergebnissen profitieren und ihre Antriebsstrang-Komponenten effizienter entwickeln. Die probabilistische FMEA wurde in diesem Projekt so weiterentwickelt, dass Ausfalldaten aus verschiedenen Teildomänen implementiert werden können. Hierdurch können erforderliche Metriken zur Absicherung der Zuverlässigkeit und funktionalen Sicherheit über Domänen hinweg zusammengeführt werden.

Förderung:

Dieses Projekt wurde gefördert von der Europäischen Union im Rahmen des Calls Horizon 2020 

Forschungsthema

Analytische Bewertung komplexer Systeme

Analyse von Systementwürfen mit steigender funktionaler und technologischer Komplexität

Weitere Projekt-relevante Forschungsthemen

Digitaler Zwilling mechatronischer Systeme

 

Projekt der Gruppe

Zuverlässigkeit und Sicherheit aktiver Systeme

Methoden zur Sicherstellung von Zuverlässigkeit und funktionaler Sicherheit.