Entwicklung einer Prüfmethodik für strukturintegrierte Hochvoltspeicher

Einstellbare elastische Anbindung für schnelles Testen verschiedener Szenarien

Hochvoltspeicher-Baugruppe auf einem multiaxialen Schwingtisch (MAST)
Hochvoltspeicher-Baugruppe auf einem multiaxialen Schwingtisch (MAST).

Predictive Maintenance und Online-Monitoring im Fahrzeugbau erfordern eine genaue Charakterisierung von den zu überwachenden Komponenten. Zusammen mit BMW hat das Fraunhofer LBF eine neue Methodik zur vereinfachten Erprobung und Charakterisierung von strukturintegrierten Hochvoltspeichern entwickelt. Hierbei wird ein Teil der Karosserie mit integriertem Hochvoltspeicher auf einem multiaxialen Schwingtisch getestet. Lagerungen mit einstellbarer Steifigkeit bilden die Steifigkeit der übrigen Karosserie nach und ermöglichen es schnell unterschiedliche Szenarien zu testen.

Erproben und Charakterisieren früh in der Entwicklung

Laufend steigender Zeit- und Kostendruck in der Entwicklung stellen auch die Erprobung von Komponenten und die Entwicklung von Monitoringsystemen für Fahrzeuge vor neue Herausforderungen. Zunehmende Strukturintegration optimiert Leichtbau und Bauraumnutzung bei modernen Elektrofahrzeugen, erschwert jedoch die Betriebsfestigkeitserprobung und Charakterisierung von Teilstrukturen wie dem Hochvoltspeicher. Prüfverfahren, die erst das Gesamtfahrzeug in späten Entwicklungsphasen testen, sind kostenintensiv und führen häufig zu Verzögerungen, wenn Schwachstellen erst spät erkannt werden. Eine isolierte Prüfung einzelner Teilbereiche hingegen ist oft unzureichend, insbesondere bei strukturintegrierten Hochvoltspeichern, welche auch zur strukturellen Integrität der Karosserie beitragen und dabei komplexen mechanischen Belastungen ausgesetzt sind. Jedoch kann ein frühzeitiges Erkennen und Beheben von Schwächen erhebliche Kosten sparen und die Markteinführungszeiten verkürzen.

MAST-basierte Prüfmethode für Hochvoltspeicher

Die zusammen mit BMW entwickelte Methodik zur vereinfachten Erprobung und Charakterisierung von strukturintegrierten Hochvoltspeichern nutzt einen multiaxialen Schwingtisch (MAST) um den Prüfling, bestehend aus dem Hochvoltspeicher und den umgebenden Karosserieteilen, mechanisch anzuregen. Durch die Nutzung eines MAST wird der Aufwand gegenüber Erprobungen mit dem Gesamtfahrzeugprüfstand deutlich reduziert.

Der Prüfling wird mittels acht Lagern, deren Steifigkeit zwischen ca. 3 kN/mm und 20 kN/mm stufenlos einstellbar ist, an den MAST angebunden. Durch die einstellbaren Lagerungen lassen sich mit wenig Aufwand verschiedene Lagerungsbedingungen des Prüflings einstellen. Hierdurch wird es sowohl möglich die Steifigkeiten der nicht berücksichtigten Karosserieteile nachzubilden als auch verschiedene Verformungszustände des Prüflings einzustellen. Somit wird bereits in einer frühen Entwicklungsphase eine Integrationsprüfung ermöglicht. Das LBF hat die einstellbaren Lager und einen strukturdynamisch optimierten Gesamtaufbau sowie eine numerische Optimierungsmethodik entwickelt. Mit Hilfe dieser Methodik werden die für die Versuche einzustellenden Steifigkeiten der Lager ermittelt und ein optimiertes Anregungssignal für den MAST erzeugt.

Erfolgreicher Proof-of-concept

Im Rahmen von mehreren Projekten wurde in Kooperation mit BMW zunächst ein numerischer Proof-of-concept des Erprobungskonzepts durchgeführt. Darauf folgte ein experimenteller Proof-of-concept auf dem MAST des Fraunhofer LBF und anschließend auf einem MAST von BMW. Bei diesen Versuchen wurden verschiedene Szenarien der Prüflingsanbindung untersucht und das Prüflingsverhalten hierbei anhand von über 150 gemessenen Dehnungs- und Beschleunigungsgrößen bewertet. In der aktuell laufenden Projektphase wird die Methodik automatisiert und an BMW transferiert, so dass BMW zukünftig in der Lage sein wird, die Methodik komplett selbstständig zu nutzen.

Die Leistungsfähigkeit der Methodik konnte hierbei gezeigt werden, insbesondere konnte nachgewiesen werden, dass sich durch unterschiedliche Steifigkeitseinstellungen unterschiedliche Verformungszustände des Prüflings einstellen lassen. Darüber hinaus lässt sich die Dehnungsverteilung durch verschiedene Steifigkeitskonfigurationen beeinflussen. Hierdurch können in den Versuchen sowohl Beanspruchungen aus der Karosserieverformung sowie aus dem Eigenschwingverhalten der Hochvoltspeicher-Baugruppe berücksichtigt werden.

 

 

»Durch die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer LBF können wir unsere Methoden über den Stand der Technik hinaus weiterentwickeln. Die Ergebnisse ermöglichen uns eine effiziente Erprobung von Hochvoltspeichersystemen und die Methodik befähigt uns zu einer datenbasierten Entwicklung.«

Sébastien Chéreau, BMW Group, Strategie & Methoden Betriebsfestigkeit