Prüfkonzept für effizientere Betriebsfestigkeitserprobung von Automobilbaugruppen durch Drive File Generierung mittels inverser Modellierung
Durch dynamische Kräfte beanspruchte Teilsysteme im Automobil, z.B. Fahrwerksbaugruppen, müssen auf dem Prüfstand auf ihre Betriebsfestigkeit hin untersucht werden, bevor sie ins Fahrzeug kommen. Bei den in diesem Bereich üblichen mehrkanaligen servohydraulischen Prüfständen ergibt sich vor Beginn der eigentlichen Prüfung oft ein erheblicher Aufwand bei der Bestimmung der Ansteuerungssignale - "Drive-Files" - für den Prüfstand, mit denen sich die am Rad im Betrieb tatsächlich gemessenen Kräfte und Momente reproduzieren lassen. Dieser Aufwand entsteht im Wesentlichen auf Grund der Nichtlinearität im dynamischen Verhalten des Gesamtsystems aus Prüfstand und zu prüfender Baugruppe. Besonders problematisch ist die Erstellung von Drive-Files, wenn aktive und/oder semiaktive Komponenten im Prüfling vorhanden sind, wie z.B. ein adaptiver Dämpfer. Solche Komponenten bieten jedoch im Bereich der Elektromobilität - insbesondere im Hinblick auf hohe reifengefederte Massen bei Fahrzeugen mit Radnabenmotoren - erhebliches Potential zur Verbesserung des Fahrkomforts und zur Verringerung von Bauteilbelastungen. In die Betriebsfestigkeitsprüfung können solche adaptiven Komponenten jedoch bisher nur mit großen Einschränkungen einbezogen werden.
Anstatt der bisher üblichen Abbildung der Systemdynamik durch eine linearisierte Übertragungsmatrix wird ein physikalisches, nichtlineares Modell von Prüfstand und Prüfling erstellt. Dieses erfasst die Effekte der nichtlinearen Systemdynamik und ist auch in der Lage, das dynamische Verhalten adaptiver Komponenten abzubilden. Durch Inversion der Systemgleichungen, also mittels eines "inversen Modells", lassen sich entgegen der Richtung der physikalischen Kausalität die erforderlichen Ansteuerungssignale unmittelbar aus den geforderten Lasten am Prüfling bestimmen. Verbleibende Ungenauigkeiten, die aus Modellabweichungen resultieren, können durch einen Iterationsprozess kompensiert werden, der auf Grund deutlich verringerter Nichtlinearitäten eine deutlich verbesserte Konvergenz aufweist als ein lineares inverses Modell.
In numerischen Studien mit dem Modell eines dreikanaligen servohydraulischen Prüfstands und dem einer Halbachsenbaugruppe mit nichtlinearem (semi-)aktivem Dämpfer konnte gezeigt werden, dass:
- Die iterative Optimierung des Drive-Files mit Verwendung des inversen nichtlinearen Modells wesentlich schneller konvergiert als bei Verwendung der bisher üblichen linearen Übertragungsmatrix. Es besteht also erhebliches Potential zur Zeit- und Kostenersparnis in der Prüfvorbereitung – Beispiele zeigen eine Abweichung unter 1% nach 3 Iterationen, anstatt Abweichung von 3,6% nach 10 Iterationen.
- Das Verfahren auch Robust gegenüber deutlichen Ungenauigkeiten im numerischen Modell ist, wenn gleich eine höhere Modellierungsgüte natürlich zu einer größeren Zeitersparnis führt.
- Sich kontinuierlich verstellende Eigenschaften (semi-)aktiver Komponenten ohne besondere Schwierigkeiten vom inversen Modell erfasst werden und somit kein Problem für diese Form der Drive-File Generierung darstellen, anders als bei der klassischen Drive-File-Generierung.