FTIR-Mikroskopie

Infrarotspektroskopie mit mikroskopischen Aufbau

FTIR-Mikroskopie (µFTIR) kombiniert Infrarotspektroskopie mit einem mikroskopischen Aufbau, um die chemische Zusammensetzung und räumliche Verteilung von Polymeren zu untersuchen. µFTIR bietet eine detaillierte chemische Darstellung kleiner Probenbereiche mit hoher räumlicher Auflösung, wobei spezifische chemische Bindungen und funktionelle Gruppen in der Probe identifiziert werden. Es ist eine leistungsstarke Technik, um die chemische Zusammensetzung und die Verteilung verschiedener Phasen oder Domänen innerhalb einer Polymermatrix (Polymerblends, Copolymere, Additive, Verunreinigungen, Abbauprodukte) zu ermitteln. Deshalb besitzt µFTIR ein großes Potential zur Beantwortung aktueller Fragestellungen für F&E und Q&S von Kunststoffen und Kunststoff-Produkten.

FTIR-Mikroskop Thermo Nicolet Continuum mit angeschlossenem FTIR-Spektrometer Thermo Nicolet 8700 im Fraunhofer LBF

Anwendungen

Additivmigration

  • Verfolgung der Stabilisatorkonzentration in Warmwasser-Druckrohren aus unterschiedlichen PE- und PP-Typen während der beschleunigten Alterung bei verschiedenen Temperaturen und Drücken

Abbildung:

Während der beschleunigten Alterung bei 80 °C im Zeitstand-Innendruckversuchs nimmt die Stabilisatorkonzentration in PE 100 langsamer ab als in PE80, trotz höherem Innendruck für PE 100 (11 bar) in Vergleich zu PE 80 (10 bar), was auf eine höhere Langzeitbeständigkeit von PE 100 schließen lässt.

Schadensanalytik

  • Aufklärung von Schadensfällen bei dem Einsatz chlorhaltiger Desinfektionsmittel in Hauswasser-Installationen aus PP

Abbildung:

Im Vergleich zu Wasser verringert chlorhaltiges Desinfektionsmittel (a, b) die Stabilisatorkonzentration an der Innenwand der Rohre während einer beschleunigten Alterung bei 95 °C erheblich schneller (c, d). Die PP-Type mit erhöhter Langzeitbeständigkeit zeigt sowohl in chlorhaltigem Desinfektionsmittel (b) als auch in Wasser (d) einen langsameren Rückgang der Stabilisatorkonzentration als die Standard-PP-Type (a, c). Sinkt sie Stabilisatorkonzentration lokal unter einen kritischen Grenzwert (z. B. 10 % der Anfangskonzentration), setzt langsames Risswachstum ein.

Spritzgegossene Formteile

Qualitätssicherung

  • Einsatz von Nukleierungsmitteln zur Verbesserung der Qualität von Schweißnähten in Spritzgießteilen aus PP

Abbildung:

Dichroismus-Messungen mittels FTIR-Mikroskopie ermöglichen Rückschlüsse über die Auswirkung von Nukleierungsmitteln (b, d) auf die Qualität von Schweißnähten aus Polypropylen.

Spritzgegossene Formteile

Prozessbegleitende Analytik

  • Alterungsverhalten von Warmwasser-Druckrohren aus PP-R mit unterschiedlichen Extrusionsgeschwindigkeiten

Abbildung:

Konzentration des phenolischen Stabilisators Irganox 1010 als Funktion von Ort und Zeit während des Langzeitstand-Innendruckversuchs von Warmwasserdruckrohren aus Polypropylen. Geprüft wurden PP-Rohre, die bei niedrigen (a, b) und hohen Geschwindigkeiten (c, d) extrudiert wurden. Es ist erkennbar, dass die Verweilzeit des Stabilisators bei dem schneller extrudierten PP-Rohr größer ist (weißer Pfeil).

Techniken

  • Transmission IR-Spektroskopie: Hier wird ein dünner Polymerfilm der IR-Strahlung ausgesetzt und das durchgelassene Licht erfasst. Erhalten wird ein detailliertes Spektrum, jedoch kann durch die Dicke der Probe u. U. eine Präparation der Probe (Dünnschnitt am Mikrotom) erforderlich sein.
  • Abgeschwächte Totalreflexion (µATR): Diese Methode verwendet eine Spitze, um den IR-Strahl intern zu reflektieren, mit der Probe in Berührung (contact mode) gebracht wird. Dadurch wird eine direkte Analyse von Proben an ihrer Oberfläche ohne besondere Probenvorbereitung ermöglicht. µATR-IR ist besonders nützlich für dickere und unebene Proben.
  • Transmissions-Reflexions-IR-Mikroskopie (Transflexion): Diese Methode dient der Untersuchung dünner Filme, die auf metallische Oberflächen aufgebracht werden. Dazu wird der Infrarotstrahl in Auflicht auf die Probenoberfläche gerichtet, sodass der dünne Film durchstrahlt wird. An dem metallischen Untergrund wird die Strahlung reflektiert und nach erneutem durchtritt durch den Film im Detektor analysiert.

Grundlagen

Infrarotlicht interagiert mit der Probe und verursacht molekulare Vibrationen, die spezifisch für verschiedene chemische Bindungen und funktionelle Gruppen sind. Diese Vibrationen führen zu Absorptionspeaks bei charakteristischen Wellenlängen (FTIR-Spektrum), das in lokalisierter Form aus kleinen Bereichen einer Probe erzeugt wird. FTIR-Mikroskope sind oft mit FTIR-Spektrometern gekoppelt, die als Quelle für das modulierte Infrarotlicht dienen. Ausgestattet sind sie mit einem Probentisch, der die Probe für die Analyse hält und positioniert. Die Objektive des Mikroskops fokussieren das Infrarot-licht auf einen kleinen Bereich der Probe und sammeln das durchgelassene oder reflektierte Licht. Das Infrarotlicht, das mit der Probe interagiert hat, wird vom Detektor erfasst.

Veröffentlichungen:

  • Maria, R., et al., Ageing study of different types of long-term pressure tested PE pipes by IR-microscopy, Polymer 61 (2015), 131-139, https://doi.org/10.1016/j.polymer.2015.01.062
  • Damodaran, S., et al., Measuring the orientation of chains in polypropylene welds by infrared microscopy: A tool to understand the impact of thermo-mechanical treatment and processing, Polymer 60 (2015), 125-136, https://doi.org/10.1016/j.polymer.2015.01.046
  • Schuster, T., et al., Quantification of highly oriented nucleating agent in PP-R by IR-microscopy, polarised light microscopy, differential scanning calorimetry and nuclear magnetic resonance spectroscopy, Polymer 55 (2014), 1724-1736, https://doi.org/10.1016/j.polymer.2014.02.031
  • Geertz, G., et al., Stabiliser diffusion in long-term pressure tested polypropylene pipes analysed by IR microscopy, Polymer Degradation and Stability 94 (2009), 1092-1102, https://doi.org/10.1016/j.polymdegradstab.2009.03.020