Betriebsfestigkeit von Kunststoffen unter Medieneinfluss

Das Fraunhofer LBF untersucht das Langzeitverhalten von Kunststoffen unter dem Einfluss verschiedenster brennbarer und nicht brennbarer Medien. Dabei wird der Werkstoff nicht nur der mechanischen Prüfung unterzogen, sondern auch dessen chemische und morphologische Veränderung durch das umgebende Medium untersucht.

Umwelteinflüsse - Wie beständig sind Kunststoffbauteile im Gebrauch?

Benzinversuche: Prüfeinrichtung für Schwingfestigkeitsversuche in brennbaren Medien
Korrosiver Befall durch Medieneinfluss auf ein Kunststoffbauteil
Rasterelektronenaufnahme einer Bruchfläche unter Medieneinfluss

Herausforderung

Stetig nimmt der Anteil von Kunststoffen als Sicherheitsbauteil in der Automobilindustrie, der Haushaltsgerätetechnik und der Medizintechnik zu. Dabei müssen die eingesetzten Werkstoffe nicht nur aggressiven Medien standhalten, sondern auch hohe mechanische Lasten ertragen. Exakte Kennwerte über die mechanische Belastbarkeit der verwendeten Materialien unter realen Einsatzbedingungen sind meist nicht vorhanden. Auf der anderen Seite existiert eine Vielzahl analytischer Techniken für Kunststoffe, jedoch werden diese nur selten angewandt, um Materialveränderungen in Folge chemischer Belastung zu untersuchen. Darüber hinaus eignen sich viele „traditionelle“ Analysemethoden nicht zur Früherkennung.    

Gegenwärtig werden Strukturbauteile aus Kunststoff meist mit konventionellen Bemessungskonzepten ausgelegt, die in der Regel Sicherheits- und Abminderungsfaktoren beinhalten. Dies stellt zwar durchaus eine praktikable Möglichkeit der Bauteilauslegung dar, nutzt aber im Sinne einer Auslegung nach Kriterien des betriebsfesten und funktionsintegrierten Leichtbaus bei Weitem nicht das volle Potenzial der Werkstoffe aus. Des Weiteren liefern sie keine Informationen zu den während der Belastungen ablaufenden Elementarprozessen, wie der chemischen und morphologischen Veränderungen des Werkstoffes. Diese Informationen sind für eine rationale Materialauswahl sowie für eine den spezifischen chemischen und mechanischen Belastungen optimal angepasste Bauteil- und Prozessauslegung unerlässlich.     Insbesondere bleiben mögliche Interaktionen von Umwelteinflüssen, Belastungsart und/oder Bauteilgeometrie (Kerben) unberücksichtigt. Weiter birgt das Abschätzen der Abminder­ungs­faktoren eine Unsicherheit, die zu einer Unter- oder Überdimensionierung des Bauteils führen kann.

Unser Ansatz

Der Ansatz der experimentellen Simulation betrachtet den ganzheitlichen Produktlebenszyklus von der Herstellung bis zum Einsatz unter realen Umgebungsbedingungen.

Durch zahlreiche unterschiedliche Versuchseinrichtungen können verschiedene mechanische Beanspruchungsarten wie statische, dynamische und zyklische Belastung an Flachproben, an Innendruckprüfkörpern oder auch an Strukturbauteilen untersucht werden. Zudem kann der Einfluss einer Vielzahl von brennbaren und nicht brennbaren Medien, sowie Temperatur und Feuchte auf die mechanischen Eigenschaften ermittelt werden. Weiterhin werden Wirkmechanismen und Interaktionen auf die mechanischen Eigenschaften und das Gesamtsystem, bestehend aus:

  • Werkstoff,
  • Herstellprozess,
  • Geometrie (Kerben),
  • Umwelteinfluss und
  • Art der äußeren Belastung

in dessen Gesamtheit betrachtet.

Dabei kommen modernste analytische Techniken zum Einsatz, um die chemischen und physikalischen Auswirkungen eines Belastungskollektivs auf die Struktur einer Probe zu ermitteln. Diese ermöglichen es, exakte Informationen über

  • die Kettenlänge des Kunststoffes,
  • die Veränderungen und Verlust von stabilisierenden Additiven,
  • das Eindringen von Medien,
  • die morphologische Struktur der Probe,
  • die Veränderungen von belastenden Medien

zu erlangen. Ein besonderer Schwerpunkt sind dabei bildgebende analytische Techniken, welche mit hoher Präzision chemische und morphologische Parameter einer Kunststoffprobe lokal erfassen. Sie sind aufgrund einfacher Probenvorbereitung und extrem kurzer Analysenzeiten in der Lage Materialveränderungen frühzeitig zu erkennen.

Kundennutzen

Für Aufgabenstellungen im Bereich der Beständigkeit von Kunststoffen, speziell in der experimentellen Ermittlung der mechanischen Eigenschaften und der Analytik von Schädigungsmechanismen, ist das Fraunhofer LBF Ansprechpartner und deckt die ganzheitliche Prozesskette von der Analytik bis zur Prüfung ab. Durch die Betrachtung und Analyse des ganzheitlichen Produktlebenszyklus ist es möglich betriebsfeste und zuverlässige Strukturbauteile aus Kunststoff zu bemessen und das Leichtbaupotenzial des Werkstoffes besser auszunutzen. Am Fraunhofer LBF steht eine Vielzahl unterschiedlicher Versuchseinrichtungen zur Ermittlung mechanischer Kennwerte unter Einfluss brennbarer Medien wie Benzin, Diesel, und Kerosin und nicht brennbarer Medien wie AdBlue, Ölen, Waschlaugen und Salzlösungen zur Verfügung. Dazu besteht die Möglichkeit Flachproben und Innendruckprüfkörper zu verwenden und diese mit statischer, dynamischer und zyklischer Belastung zu prüfen. Aus den gewonnenen Daten werden numerische Materialmodelle zur Lebensdauerabschätzung abgeleitet.

Durch Aufklärung der während des Einwirkens von mechanischen Lasten auftretenden Veränderungen des Werkstoffes bzw. Bauteils mittels analytischer Techniken wird die Aussagekraft der experimentellen Lebensdauerbestimmung massiv gesteigert. Als Folge können beispielsweise aus am Markt erhältlichen Werkstoffen für eine spezifische Anwendung die bestgeeigneten Materialien ausgewählt werden. Gleichermaßen können in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden und Rohstofflieferanten Rezepturen der Rohstoffe maßgeschneidert und Fertigungsverfahren für Strukturbauteile optimiert werden. Hieraus ergibt sich ein immenses Einsparpotenzial hinsichtlich Entwicklungszeit und Kosten.
Der analytische Ansatz kann gleichermaßen genutzt werden, um die Ursache von aufgetretenen Schadensfällen aufzuklären. So lassen sich mit hoher Zuverlässigkeit Aussagen treffen, ob Schadensfälle im Feldeinsatz durch Auswahl ungeeigneter Materialien oder unangemessene Betriebsbedingungen verursacht wurden.