Forschungsprojekt „Gusswelle"

Gestaltungsfreiheit im Gussprozess

Gusseisen mit Kugelgraphit (GJS) bietet neben guter Festigkeitseigenschaften eine hohe gestalterische Freiheit im Gussprozess. Der Werkstoff findet deshalb auch im Großgussbereich wie beispielsweise der Windkraft häufige Verwendung. So wird er in diesem Anwendungsgebiet überwiegend für hochbelastete Komponenten wie z.B. der Rotorwelle oder der Rotornabe eingesetzt. Mit der zunehmenden Leistungssteigerung von Windkraftanlagen und der damit verbundenen Forderung zur Verbesserung des Leistungsgewichts (t/kW) ergibt sich die Notwendigkeit, die Werkstoffausnutzung von Bauteilen und Komponenten im Betrieb durch die Anwendung von Leichtbaukonzepten zu erhöhen. Großgussbauteile werden konventionell in Sandformen, welche im Handformverfahren hergestellt werden, gegossen. Durch den Abguss der Schmelze in eine Metallkokille sind aufgrund der schnelleren Wärmeabfuhr über die Kokille deutlich höhere Abkühlraten und somit kürzere Erstarrungszeiten des Bauteils zu erreichen. Der dadurch resultierende positive Effekt auf die Ausbildung eines feineren Gefüges bietet ein hohes Potenzial zur Festigkeitssteigerung gegenüber den im Sandgussverfahren abgegossenen Bauteilen.

Ziel ist ein Bemessungskonzept

Um die durch das Kokillengießverfahren geänderten Werkstoffeigenschaften quantifizieren zu können, wird im Rahmen des Forschungsvorhabens „Gusswelle“ eine zyklische Werkstoffcharakterisierung an zwei in Kokille gegossenen Rotorhohlwellen einer Windenergieanlage durchgeführt. Bei den beiden untersuchten Werkstoffen handelt es sich um perlitischen EN-GJS-600-3 sowie ferritischen EN-GJS-400-18-LT. Es werden Proben unterschiedlicher Größe, welche ein unterschiedliches hochbelastetes Werkstoffvolumen aufweisen, aus mehreren Bauteilabschnitten entnommen. Mit Hilfe von dehnungs- und spannungsgeregelten Schwingfestigkeitsuntersuchungen wird das zyklische Werkstoffverhalten für Gefüge mit unterschiedlichen Erstarrungszeiten nah und fern der Kokillenoberfläche ermittelt. Hierdurch kann die Auswirkung des statistischen, spannungsmechanischen und technologischen Größeneinflusses auf das zyklische Werkstoffverhalten beschrieben werden. Diese Erkenntnisse werden dem zyklischen Werkstoffverhalten an in Sand vergossenen Komponenten aus vorangegangenen Vorhaben gegenübergestellt. Begleitend finden metallographische und fraktographische Untersuchungen statt, um die lokalen Gefügeausbildungen mit den zyklischen Werkstoffkennwerten sowie der Erstarrungszeit zu verknüpfen.

Die in diesem Vorhaben erlangten Erkenntnisse sollen in einem Bauteil-Bemessungskonzept zusammengeführt werden, welches die durch das Kokillengießverfahren geänderten Werkstoffeigenschaften berücksichtigt. Da es aktuell keine gesonderte Norm oder Richtlinie zur Bemessung von in Kokille gegossener Bauteile gibt, erfolgt die Auslegung hinsichtlich der Schwingfestigkeit auf Basis von Regelwerken, wie beispielsweise der DNV GL Richtlinie. Die darin genutzten Kennwerte sind allerdings tendenziell eher für Sandguss-Bauteile heranzuziehen. Durch ein angepasstes Bemessungskonzept, welches bessere Werkstoffkennwerte durch das Kokillengießverfahren berücksichtigt, kann zum einen Leichtbau betrieben werden, zum anderen aber auch vorhandene Strukturen höher ausgelastet werden.