Thermisch Optimierte Prozessführung im Kautschukspritzguss

Im Rahmen des Projekts ThermoOpt entwickelten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Bereichs Kunststoffe am LBF eine neuartigethermisch und rheologisch optimierte Prozessführung im Kautschukspritzgießen mit dem Zieldie Zykluszeit zu minimieren, die Endroduktqualität zu verbessern und Prozessabfällen zu vermeiden.

Projekt ThermoOpt

Im Rahmen des Projekts ThermoOpt entwickelten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Bereichs Kunststoffe am LBF eine neuartige thermisch und rheologisch optimierte Prozessführung im Kautschukspritzgießen mit dem Ziel die Zykluszeit zu minimieren, die Endproduktqualität zu verbessern und Prozessabfällen zu vermeiden.

Für eine effiziente und energetisch optimale Auslegung des Kautschukspritzgießprozesses ist es von essenzieller Bedeutung die Zykluszeiten möglichst kurz und zugleich den Energieaufwand möglichst gering zu halten. Die Erwärmung des Elastomers im Kaltkanalsystem erfolgt hierbei einerseits durch Heizbänder, aber auch über dissipative Erwärmungsprozesse des Materials. Während eine zu starke Erwärmung des Materials im Kaltkanal vermieden werden muss, um ein frühzeitiges Vernetzen und Ablagerungen zu verhindern, führt eine höhere Prozesstemperatur zu einer niedrigeren Viskosität und somit einem geringeren Fülldruckbedarf. Weiterhin unterscheidet sich das temperaturabhängige Wandhaft- bzw. Wandgleitverhalten etablierter Materialmischungen teils deutlich. Es zeigt sich, dass die Prozessauslegung ein komplexes Unterfangen ist, in welches eine Vielzahl unterschiedlicher Variablen einfließen. Bislang erfolgt die Auslegung erfahrungsbasiert und schöpft häufig nicht alle Potentiale einer effizienten Prozessführung aus.

Im Projekt ThermoOpt wurde mittels umfangreicher, gezielter Materialuntersuchungen das temperatur-, geometrie- und scherratenabhängige Wandgleit- bzw. Wandhaftverhalten praxisähnlicher Mischungen analysiert. Einerseits trägt die Charakterisierung maßgeblich zum besseren Verständnis des komplexen Materialverhaltens bei, andererseits finden die hieraus ermittelten Materialeigenschaften in neuartigen Simulationsmethoden Einsatz. Ziel ist es, künftig mittels der neuartigen Methoden die Heizzeitverkürzung im Kautschukspritzguss durch eine gezielte Erwärmung des Kaltkanals mit strömungsbedingter dissipativer Energie zu erreichen.

Entwicklung von Kautschukmischungen zur Darstellung der wandhaftenden und wandgleitenden Eigenschaften

Für die Untersuchungen des Wandgleit- bzw. Wandhaftverhaltens wurden verschiedene EPDM-Modellmischungen entwickelt. Hierbei handelt es sich um eine wandgleitende Mischung (Slip), und eine wandhaftende Mischung (No-Slip). Die wandhaftende bzw. wandgleitende Eigenschaft wird über die Füllstoffe eingestellt. Die Slip-Mischung enthält hierfür eine hohe Menge Ruß und Öl, während die No-Slip-Mischung ohne Öl auskommt und mit Silica gefüllt ist.

 

Abbildung 1: Prüfkörper beim Mischungswechsel; a) Querschnitt beim Wechsel von No-Slip auf Slip; b) Prüfkörper beim Wechsel von No-Slip auf Slip; c) Prüfkörper beim Wechsel von Slip auf No-Slip; d) Querschnitt beim Wechsel von Slip auf No-Slip; e) Querschnitt des Kaltkanals beim Wechsel von No-Slip auf Slip; f) Querschnitt des Kaltkanals beim Wechsel von Slip auf No-Slip.

Rheologische Messungen und Spritzgießversuche

Rheologische Untersuchungen zur Bestimmung des Fließverhaltens, sowie der Wandgleit- bzw. Wandhafteigenschaften wurden an zwei Hochdruck-Kapillar-Rheometern, mit unterschiedlichen Düsengeometrien durchgeführt um die Geometrieeinflüsse von Strömungskanälen, wie sie in der Literatur genannt werden, bewerten und folglich auch berücksichtigen zu können. Daneben wurden praxisrelevante Faktoren, wie die Verarbeitungstemperatur und -geschwindigkeit, sowie der Kanalquerschnitt untersucht und hieraus Materialparameter für spätere Simulationen abgeleitet. Ebenfalls wurden in Kooperation mit dem projektbegleitenden Ausschuss Spritzgießversuche durchgeführtum das Verhalten von Modellmischungen beim Materialwechsel, wie er in der Praixs vorkommt, zu analysieren. Hierfür wurden sowohl von der No-Slip-Mischung (grau eingefärbt) auf die Slip-Mischung (schwarze eingefärbt) gewechselt als auch umgekehrt. Die sich daraus ergebenden Probekörper sind in Abbildung 1 a) - d) gezeigt. Die Slip-Mischung bildet in der No-Slip-Mischung einen scharfen Übergang und fließt ellipsenförmig in die Kavität (Abbildung 1 a) + b)). Die No-Slip-Mischung fließt hingegen wellenförmig in die Slip-Mischung. Die Materialübergänge sind hierbei undefiniert (Abbildung 1 c) + d)). Besonders interessant ist die Verteilung der Mischungen im Kaltkanal während des Mischungswechsels (Abbildung 1 e) + f)). Die Slip-Mischung wird in Schlieren von der No-Slip-Mischung abgetragen (Abbildung 1 f)). Die No-Slip-Mischung dagegen haftet an der Wand des Kaltkanals, während die Slip-Mischung eingespritzt wird (Abbildung 1 e)). Es zeigt sich, dass die Reihenfolge innerhalb des Materialwechsels maßgeblich das Strömungsverhalten beeinflusst. Wie zuvor angemerkt, ist das Ablagerungsverhalten der ersten Komponente, bzw. das Nachströmverhalten der zweiten Komponente nicht trivial, und kann nur in Näherung erfahrungsbasiert abgeschätzt werden. Mit der in diesem Vorhaben entwickelten Simulationsmethodik, könnte ein Materialwechsel, bzw. kritische Ablagerungsbereiche künftig besser prognostiziert und schon in der Entwicklung von Kaltkanalsystemen dem entgegengewirkt werden.

Entwicklung einer Berechnungsmethodik zur Simulation des Wandgleitverhaltens

In dem open-source Berechnungssolver OpenFOAM wurde eine neuartige Berechnungsmethodik zur Simulation der Strömungsvorgänge beim Kautschukspritzguss entwickelt. Zur Erprobung und Verifizierung der Methodik wurden die Strömungskanäle der Rheometer in der Simulation modelliert und die durchgeführten Experimente nachsimuliert. Das Wandgleitverhalten wurde hierzu mittels einer schubspannungsabhängigen Wandgleitrandbedingung implementiert. Erste Ergebnisse zeigen das große Potential der Simulationsmethodik, so kann das komplexe Materialverhalten deutlich besser prognostiziert werden, als es bislang möglich ist. Eine große Herausforderung stellt die Abbildung von Geometrieeffekten des Strömungskanals dar: Während die Breitschlitzdüse sehr gut simulativ abgebildet werden kann, sind bei der Simulation der Rundkapillare teils deutliche Diskrepanzen zu sehen. Es wird angenommen, dass Geometrieeffekte von den mathematischen Modellen noch nicht vollumfänglich erfasst werden.

Bei der Breitschlitzdüse zeigten sich sehr gute Übereinstimmungen zwischen den experimentellen Untersuchungen und den Simulationsergebnissen. Ähnlich realitätsnahe Ergebnisse konnten simulativ jedoch nicht im Abgleich der Rundkapillaren erzielt werden. Dennoch zeigen die Ergebnisse die Potentiale simulationsgestützter Methoden im Bereich des Kautschukspritzgießens.

Zusammenfassung

Die Ergebnisse der gezeigten Untersuchungen sind für die spätere praktische Anwendung von essenzieller Bedeutung. Sie zeigen das komplexe Materialverhalten und die Herausforderungen dieses mittels etablierter Methoden zu erfassen. Zusammenfassend kann jedoch, trotz der eingeschränkten Erfassung der Geometrieeffekte durch die mathematischen Modelle,, aufgezeigt werden, dass die entwickelte simulationsgestützte Methodik, bessere Prognosen ermöglicht, als es nach aktuellem Stand der Technik möglich ist.

Das Projekt wurde von Dr. Leonard Perko (01.11.2019 – 30.04.2020) und Dr. Ali Golriz (01.01.2021 – 31.10.2022) geleitet.

Förderung

Das IGF-Vorhaben 20432 N zum Thema „Entwicklung einer neuartigen thermisch und rheologisch optimierten Prozessführung im Kautschukspritzgießen zur Minimierung der Zykluszeit, Verbesserung der Produktqualität und Vermeidung von Prozessabfällen“ der Forschungsvereinigung Forschungsgesellschaft Kunststoffe e.V. (FGK) wurde über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. 

Ebenso gilt der Dank der Forschungsgesellschaft Kunststoffe e.V.

Weiterhin danken wir den im projektbegleitenden Ausschuss vertretenen Unternehmen für die fachliche Unterstützung.