Vom Realversuch zur virtuellen Auslegung von Kunststoffbauteilen

Wissensmanagement, Ontologie, Auslegung von Kunststoffbauteilen

Kunststoffbauteile werden in ihrem Verhalten entscheidend von ihrer eigenen Vergangenheit geprägt. Ein umfassendes Verständnis der Wirkzusammenhänge von Prozessen und Eigenschaften im Produktlebenszyklus ist die Voraussetzung für eine zuverlässige Produktauslegung. Im Projekt DMD4Future wurde eine strukturierte Basis geschaffen, um sämtliche Daten und Prozesse der Kunststoffbauteilauslegung in einer sogenannten Ontologie abzubilden und Wirkzusammenhänge zu beschreiben. Dies ermöglicht im nächsten Schritt über bspw. maschinelles Lernen die Identifikation von neuen Wechselwirkungen und die Ableitung von neuen Leichtbaupotenzialen.

Digitale Wertschöpfungskette zeigt Leichtbaupotenziale auf

Die verschiedenen Prozesse im Lebenszyklus von Kunststoffbauteilen wie Granulierung, Produktauslegung, Spritzgießen, Betrieb und Recycling haben entscheidenden Einfluss auf die Eigenschaften des Bauteils. Daher werden über den Lebenszyklus von polymeren Bauteilen eine Vielzahl von Materialeigenschaften aus Charakterisierungsversuchen bestimmt, welche daraufhin in Form von Materialdaten vorliegen.

Durch eine Verknüpfung dieser Daten über eine konsequente digitalisierte Wertschöpfungskette lassen sich bisher unbedachte Wechselwirkungen zwischen Herstellung, Materialcharakteristiken und Produkteigenschaften im Betrieb identifizieren, die gerade bei Kunststoffbauteilen eine wichtige Rolle spielen. Dies bietet vielfältige Chancen für völlig neuartige Optimierungsmöglichkeiten im gesamten Materialkreislauf über Methoden des maschinellen Lernens (ML), beispielsweise die Vergrößerung von Leichtbaupotenzialen oder die Verstärkung von Kreislaufprozessen. Als Basis für den Zugriff auf den Datenschatz über ML-Methoden bedarf es einer einheitlichen digitalen Wissensrepräsentation für die realen und numerischen Prozesse, denen die Daten entstammen. Diese formalisierte Repräsentation von Daten und von Regeln über deren Zusammenhänge erfolgt über eine so genannte Ontologie und ist sowohl von Menschen als auch Menschen lesbar.

Als Use-Case des Fraunhofer-weiten Projekts DMD4Future betrachten sechs Institute verschiedene Aspekte aus dem Lebenszyklus von Polymeren und führen sie einer einheitlichen Ontologie zu. Mess- und Prozessdaten oder Ergebnisse aus numerischen Simulationen verfügen bisher über Metadaten, die bisher größtenteils im Auslegungsprozess vernachlässigt werden. Die Nutzung dieser Daten ist über Methoden des maschinellen Lernens möglich. Die Arbeiten des Fraunhofer LBF umfasste daher die Realisierung einer digitale Repräsentation der Produktauslegung.

Virtuelle Auslegung von kurzfaserverstärkten Kunststoffen

Der Fokus liegt dabei auf der Auslegung von kurzfaserverstärkten Materialien, da hier die Wechselwirkungen zwischen Herstellungsprozess und Materialeigenschaften über die Faserorientierungsverteilung deutlich hervortreten. Dabei werden Ontologien und Prozessgraphen für die Spritzgießsimulation, die Struktursimulation, das Mapping sowie verknüpfte reale Messprozesse wie beispielsweise die Faserorientierungsanalyse erstellt. Diese stellen die wesentlichen Abläufe der integrativen Produktauslegung dar. Die abgeleitete Ontologie ermöglicht fusionierte Datensätze mit unterschiedlich skalierten Informationsinhalten über Institutsgrenzen hinweg, wodurch wesentlich größere Parameterräume einheitlich abgebildet werden können. Dies erlaubt es zukünftig, Produktauslegung ganzheitlich zu verstehen und durch die konsequente Integration in den Lebenszyklus von Polymeren Wirkbeziehungen aus dem gesamten Lebenszyklus im Sinne einer zuverlässigen digitalisierten Entwicklung und Absicherung nutzbar zu machen. Somit wurde eine Grundlage für die Erstellung von validen digitalen Zwillingen für Kunststoffbauteile und ihrer Einbindung in digitale Bewertungsketten geschaffen.