Verfolgen der Schwindung reaktiver Systeme

Epoxidharze, Polyurethane und andere reaktive Systeme werden z. B. in der Elektrotechnik, der Automobiltechnik oder auch im Bauwesen als Verkapselungsmaterialien, Klebstoffe oder Beschichtungen eingesetzt. Den guten Gebrauchseigenschaften solcher reaktiven Systeme steht der Nachteil der reaktionsbedingten Volumenschwindung entgegen, die durch die chemische Vernetzung während der Härtung entsteht. Für Verkapselung von Bauteilen, in der Lithographie oder für medizinische Anwendungen (z. B. Zahnfüllungen) sind schwindungsarme Werkstoffe erforderlich, damit geringe Spannungen zwischen Substrat und Ummantelung erreicht werden können.

Mit dem am Fraunhofer LBF entwickelten Dilatometer zur Verfolgung der Reaktionsschwindung kann das Volumen transparenter oder hochgefüllter Harzsysteme isotherm während der Härtung verfolgt werden [1].


[1]    Holst, Marco: Reaktionsschwindung von Epoxidharz-Systemen. Dissertation, Technische Universität Darmstadt (2001)

Die obere Abbildung skizziert das Messprinzip der Volumenbestimmung. Eine Glasküvette mit der zu untersuchenden Probe befindet sich im Strahlengang eines Lasers. Licht, das die Probe durchläuft, wird an der gekrümmten Oberfläche (Meniskus) der Probe gebrochen. Die Übergänge von Bereichen mit hoher Lichtintensität in Bereiche mit niedriger Lichtintensität werden mittels einer Photodiode orts- und zeitaufgelöst bestimmt. Aus den so erhaltenen zeitaufgelösten Höhenpositionen der Probenmenisken wird das Probenvolumen bestimmt.

Die untere Abbildung zeigt den Messplatz bestehend aus einem Laserscanner und der Temperiereinheit. Isotherme Messungen können bei Temperaturen zwischen etwa 25 °C und 120 °C durchgeführt werden.

Als Anwendungsbeispiel zeigt die obere Abbildung die Verfolgung der Reaktionsschwindung eines Epoxidharz-Modellsystems aus Bisphenol A Diglycidylether (120 g) und Hexahydrophthalsäureanhydrid (100 g) sowie 2-Ethyl-4-methyl-imidazol als Beschleuniger (1,2 g) bei einer Härtungstemperatur von 80 °C. Das Volumen der Probe nimmt mit der Zeit - und damit mit dem chemischen Umsatz - ab, bis ein stabiler Wert erreicht wird. Die Messung wurde zweifach reproduziert und zeigt die Genauigkeit der Messmethode.

Die untere Abbildung zeigt die Reaktionsschwindung des gleichen Epoxidharz-Systems (jedoch mit 2,4 g des Beschleunigers) für Temperaturen von 70 °C, 80 °C und 90 °C. Die Reaktionsschwindung - und damit gekoppelt der chemische Umsatz - verläuft für höhere Temperaturen schneller und erreicht höhere Werte für lange Reaktionszeiten. Letzteres ist auf einen mit der Temperatur zunehmenden Gesamtumsatz zurückzuführen. Bei geringeren Härtungstemperaturen friert die chemische Reaktion aufgrund geringerer Kettenbeweglichkeit früher - also bei geringerem Gesamtumsatz - ein.

Mit ergänzenden Methoden wie der Infrarotspektroskopie, der dielektrischen Spektroskopie, der Differenzkalorimetrie, der dynamisch-mechanischen Analyse und der Mikroskopie können die Abhängigkeiten der Schwindungskinetik und der Materialeigenschaften eines Reaktivsystems von den Härtungsparametern (Temperatur, Intergas, Bestrahlung) und der Rezeptur (z. B. Beschleunigeranteil und Verhältnis aus Harz- und Härterkomponente) abgeleitet werden.